Dieses Blog durchsuchen

Mythen der Liebe- Ruth Westheimer

Das vorliegende Buch erzählt von der Liebe in ihren ungezählten Facetten und dies geschieht dadurch, dass der Leser mit den schönsten klassischen Mythen vertraut gemacht wird.

Auf den Weg gebracht wurde das Buch von Dr. Ruth K. Westheimer und Jerome E. Singermann.

Dr. Ruth K. Westheimer, die ich das Vergnügen hatte auf der Frankfurter Buchmesse 2010 persönlich kennenzulernen, ist am 4.6.1928 geboren. Die Jüdin verließ Deutschland im Kindesalter. Ihre Eltern wurden in Ausschwitz ermordet. Ich möchte an dieser Stelle nicht ihre gesamten Lebensdaten, die man dem Klappentext entnehmen kann, wiedergeben, aber doch erwähnen, dass sie einst an der Sorbonne Psychologie und in den USA Soziologie sowie Sozialwissenschaften studierte und an der Columbia University ihren Doktortitel erwarb. Westheimer doziert heute noch in Princeton und Yale, wo sie als gefragte Expertin gilt.

Die Sexualwissenschaftlerin möchte anhand der Mythen aufzeigen, dass sich im Grunde an der Liebe zwischen zwei Menschen seit dem Altertum nichts geändert hat und die alten Mythen Probleme in der Liebe sehr gut deutlich machen.

Zur Sprache kommen: Teiresias, Phaidra und Hippolytos, Amor und Psyche, Leda und der Schwan, Helena und Paris, Laodameia und Protesilaos, Hermaphroditos und Salamakis, Narziss, Iphis und Ianthe, Danae, Pasiphae und der Stier, Theseus und Ariadne, Dido und Aeneas, Pygmalion und die Staue, Kanake und Makareus, Myrrha und Kinyras, Venus und Adonis, Pyramus und Thisbe, Hero und Leander, Orpheus und Eurydike, Alkestis und Admetos, Kephalos und Prokris, Akontios und Kypdippe, Keyx und Alkyone sowie Philemon und Baucis.

Den kurz szizzierten Geschichten sind Abbildungen berühmter Kunstwerke beigegeben, die Westheimer kommentiert hat. Mir gefällt, dass die Autorin im Hinblick auf den Mythos von Narziss Salvadore Dalis "Metamorphose des Narziss" gewählt hat, weil dieses Gemälde eine große Bandbreite an Interpretationsmöglichkeiten zulässt und wie kein anderes Bild deutlich macht, wohin Selbstverliebtheit führt. Auf den letzten Seiten des Buches findet man die Bildnachweise der insgesamt 26 Bilder.

Westheimer arbeitet sehr gut heraus, worum es bei den einzelnen Mythen geht. Es führt zu weit, an dieser Stelle alle 25 Mythen zu thematisieren, aber ich möchte auf die nach Westheimer vielleicht sinnlichste und erotischste Liebesgeschichte der ganzen Mythologie hinweisen. Hierbei handelt es sich um "Amor und Psyche". Die Autorin merkt an, dass sich hier zwei besonders schöne junge Liebende in der Dunkelheit begegnen und sich nicht durch Blicke, sondern durch die Berührung des Körpers kennenlernen. Dennoch genügt Psyche der gute und erfüllende Sex nicht. Sie muss ihren Geliebten in vollem Licht sehen und als den erkennen, der er ist, gleichgültig, welches Risiko dies birgt. Ihre Leidenschaft kann nur zu Liebe heranreifen, wenn sie dies tut, (vgl.S. 35 und 36). Den anderen als den erkennen, der er ist, macht Liebe erst möglich. Am Beispiel des Narziss wird deutlich, dass nicht jeder dazu in der Lage ist.

Ich war überrascht, wie viele Mythen mir bislang unbekannt waren. So hatte ich von "Alketis und Admetos" bislang ebenso wenig etwas gehört wie von "Kephalos und Prokris" und von "Laodameia und Protesilaos" hatte ich auch noch nie etwas vernommen.

Ich musste wirklich grinsen als ich den allseits bekannten Mythos von "Helena und Paris" las. Westheimer schreibt im Hinblick auf Paris, der als Prototyp für Männer einer bestimmten Art ein gutes Beispiel liefert: "Und glauben Sie mir, diese Typen sind nicht die tollen Hechte, für die sie sich halten beziehungsweise als die sie sich präsentieren, sondern oberflächliche Einfaltspinsel von der Sorte, die auf dieser Welt viel zu viel Schaden anrichtet."(Zitat: S. 56) Das sehe ich auch so.

Die Autorin unterstreicht, dass das Problem von Narziss nicht in erster Linie darin besteht, dass er sich selbst liebt, sondern genau wie Hermaphroditos, keinen liebt, (vgl.: S. 76). Am Beispiel von Narziss kann man gut nachvollziehen, was mit Menschen geschieht, die sich ausschließlich selbst lieben. Im Grunde nehmen sie ein kummervolles Ende, weil ihre Selbstverliebtheit keine Erfüllung finden kann.

Tief beeindruckt bin ich immer, wenn ich den Mythos von "Pygmalion und der Statue" lese. Es ist im Grunde die Geschichte der Traumfrau, die nicht perfekt bleiben kann, wenn sie ein Mensch aus Fleisch und Blut geworden ist. Westheimer fragt in diesem Zusammenhang nicht grundlos "Wann ist der Partner eigentlich der perfekte Partner? In einer Zeit der Internetlieben entsteht, wie ich meine, dieser Mythos immer wieder neu mit all seinen Erwartungshaltungen, die kaum ein Mensch zu erfüllen vermag."

Ein sehr nüchternes Urteil fällt Westheimer bezüglich "Hero und Leander", von denen sie meint, dass sie wegen ihres guten Aussehens und ihrer sinnlichen Anziehungskraft sehr schlechte Liebhaber waren, (vgl. S. 174).

Dr. Westheimer zeigt viele Facetten der Liebe auf und sie reflektiert ganz zum Schluss die Geschichte von "Philemon und Baucis". Die beiden Liebenden werden eines Tages, als sie vor dem Tempel stehen und auf ihr Leben zurückblicken auf Wunsch von Philemon in Bäume verwandelt. Sie wünschen sich während des Umwandlungsvorgang noch Lebewohl aber sie werden nicht getrennt, denn die Linde und die Eiche verschlingen ihre Äste einer Umarmung gleich auf ewig miteinander.

Die verwitwte Autorin kann sich den Weg, den das alte Liebespaar in dem Mythos ging, für sich nicht vorstellen, trotz ihrer großen Trauer um ihren verstorbenen Gatten. Das ist mehr als verständlich, wenn man Dr. Ruth K. Westheimer einmal persönlich erlebt hat. Sie ist quirligstes Leben pur, eine Frau, für die Liebe Leben bedeutet und nicht deren Gegenteil.


Ein sehr schönes Buch, das anregt über die Liebe und ihrer Abgründe nachzudenken.



Rezension:Slow Sex: Zeit finden für die Liebe - (Gebundene Ausgabe)

Bald soll der Herbstblues beginnen. Um diesem zu entrinnen, gibt es viele Möglichkeiten. Die schönste von allen dürfte "Slow-Sex" sein:-))

Was man unter "Slow-Sex" zu verstehen hat, erklärt uns im vorliegenden Buch die Südafrikanerin Diana Richardson. Sie ist Körpertherapeutin und Tantra-Lehrerin. Mit ihrem Mann gemeinsam bietet sie weltweit Kurse für Paare an, in denen sie diesen verdeutlicht, wie man entschleunigten Sex kultiviert. Anstelle allzu aktiv zu sein, geht es darum, nicht so sehr auf den Orgasmus abzuzielen, sondern vielmehr das Tempo zu drosseln und jeden Moment bewusst zu genießen, damit die subtileren Nuancen der Vereinigung nicht verloren gehen, so die Südafrikanerin.

Beim "Slow-Sex" bleibt man aufgrund der Langsamkeit im kühlen Bereich, denn die Langsamkeit nimmt dem Sex die Hitze. Wie Richardson festhält, sei das gut so, denn die zarten Wurzeln des Glücks und der Ektase mögen lieber ein kühles als ein heißes Klima.

Das Buch ist in zehn Kapitel untergliedert, in denen jeweils ein "universeller Stoffwechselverstärker" zur Sprache kommt. Was man darunter zu verstehen hat, wird im Buch gut nachvollziehbar erklärt.

Jedes Kapitel bietet wichtige Informationen, aber auch praktische Orientierungshilfen. So erfährt man beispielsweise im dritten Kapitel mehr über die Bewusstheit, die es uns möglich macht, unser höheres sexuelles Potenzial zum Ausdruck zu bringen. Mit deren Hilfe vermögen wir den Körper innerlich zum Leben zu erwecken und uns auf die uns innewohnende sexuelle Vitalität einzuschwingen, (vgl: S.13). Bewusstheit ist demnach der Schlüssel zur sexuellen Seligkeit. Bewusst anstelle von mechanisch, meine Herren! Bewusst heißt sich vollkommen auf das Jetzt zu konzentrieren, Sex mit offenen Augen zu realisieren und zunächst bei sich selbst anzukommen, um auf diese Weise von der gegenseitigen Bewusstheit entfacht, wirklich zufriedenstellend sexuellen Genuss zu erleben.

Kapitel 4 befasst sich mit der sexuellen Intelligenz unseres menschlichen Körpers. Hier erfährt man, dass unsere Genitalien über ihre eigene Weisheit verfügen und am besten wissen, auf welche Weise sie sich vereinigen, wenn man ihnen nur Raum und Gelegenheit gibt. So ist das erste Hineingehen in den Körper der Frau entscheidend dafür, dass das Niveau der Erregung niedrig bleibt. Sofern der Mann eine Erektion hat, sollte er beim ersten Hineingehen ganz bewusst, sprich sehr langsam sein. Auf diese Weise dehnt er Millimeter für Millimeter den Kanal der Vagina aus. Je langsamer desto besser. Immer dann, wenn er einen Widerstand in der Vagina spürt, sollte er innehalten, denn das Gewebe benötigt Zeit, um warm zu werden und den Penis in sich aufzunehmen, (vgl.: S.65).

Anhand von Illustrationen hat man Gelegenheit, sich rotierende Stellungen um die genitale Verbindung klar zu machen, sofern der Text als Erläuterung nicht ausreichen sollte. Wobei Richardson sehr gut erklärt.

Beim Slow-Sex ist Sex ohne Erektion erwünscht, weil hier die sexuelle Vereinigung unabhängig von Stimulation, Erregung oder Erektion die eigentliche Erfüllung darstellt. Das niedrige Erregungsniveau macht eine spirituelle Vereinigung erst möglich, um die es beim wirklich erfüllenden Sex eben geht.

Es ist nicht möglich, im Rahmen der Rezension alle Kapitel im Buch näher zu beleuchten. Kapitel 8 möchte ich aber nicht unerwähnt lassen. Hier geht es um die Kraft der Gedanken beim "Slow-Sex". Richardson hält fest, dass der Orgasmus als Ziel unsere sexuelle Konditionierung widerspiegelt. Dabei geht der Gedanke dem Zwang, dem Verlangen und dem Orgasmus voraus. Die Fixierung auf Erregung und auf den Höhepunkt sei ein Teil einer ererbten sexuellen Konditionierung, die unseren wahren sexuellen Ausdruck wesentlich störe, (vgl.: 114). Ein Gedanke, dem ich zustimme.

Ferner stimme ich Richardsons Empfehlung zu, Sex mit offenen Augen zu erleben, um auf diese Weise einerseits sexuellen Fantasien zu entgehen und andererseits das Hier und Jetzt vollständig wahrzunehmen und sich genau darauf bedingungslos einzulassen. Präsent zu bleiben ist das A und O jeder sexuellen Begegnung. Eine solche Präsenz ist erlernbar. Sie ist die Voraussetzung für eine langsame, meditative liebende Vereinigung weiblicher und männlicher Energie zu sanfter, fortwährender kühler Ektase, die eine spirituelle Verbindung mit dem göttlich erfüllenden Moment der körperlichen Liebe erst ermöglicht.

Empfehlenswert.

Bitte klicken Sie auf den Button, dann gelangen Sie zu Amazon und können das Buch bestellen.

Rezension: nimm es nicht persönlich- Sylvia B.


Sylvia B., die geheimnisvolle Schöne oben in meinem Header, ist Autorin zahlreicher von mir rezensierter Bücher, eine begnadete Lyrikerin, die in ihrem jüngsten, mir hier vorliegenden Buch mit alten und neuen poetischen Texten aufwartet, die die Autorin als eine sehr feinfühlige, verletzliche aber auch zur Zynikerin gewordene Frau outen, die trotz aller Erfahrungen, die sie in ihren Texten verarbeitet, noch immer offen von ihrer Sehnsucht schreiben kann, wenn sie sich neu verliebt hat. Dass sie dies kann, gefällt mir an Sylvias Gedichten, aber nicht nur dies, sondern auch der Mix aus zarten Liebestönen, knallhartem, präzisen, unerbittlichem Verstand und der Freude am Sex, mit dem sie erfrischend offen umgeht, wie ihre Texte, mehr noch ihre Bilderwelten dokumentieren.


In die poetischen Texte hat Sylvia Aktbilder von sich eingebunden, ein mutiges Experiment, das ich mit großem Interesse reflektiert habe, weil hier eine Frau, nicht nur durch emotionsstarke Worte, sondern auch körperlich einen Striptease präsentiert und damit drei Dinge, die zusammengehören, zusammenzufügen weiß: Geist, Seele und Körper. Respekt vor diesem Mut falschverstandene Scham zu überwinden.


Von den zahlreichen gelungenen Fotos, auf denen Sylvia in Dessous gehüllt, nicht nur auf ihrem Bett posiert, habe ich jenes gewählt, das vermutlich Männerphantasien am meisten anregt, aber zeitgleich durch die textliche Botschaft (die letzten Zeilen eines ihrer Gedichte) unmissverständlich verdeutlicht, dass alle, die hier zupacken wollen, damit rechnen müssen, dass ihnen mit sarkastischen Worten die Hand abgebissen wird.

„bestimmt möchte er /mit mir /ins geschäft kommen/ ich händel nicht/mit menschenhändlern“

Den Anmerkungen kann man entnehmen, dass die lyrischen Texte von Seite 34 und 35 in Zusammenarbeit mit unser beider Freundin Tuna von Blumenstein für den Krimi „der hässliche Zwilling“ entstanden sind.

Sylvias Wortschöpfung „stöckelwild“ amüsiert mich übrigens, weil sie sich damit über die Highheels und ihren hervorragend zelebrierten Exhibitionismus lustig macht, den man oben im Header und breitgefächert im Buch bewundern kann.


Ich mag Sylvias schöne Beine, konnte ihr aber keines ihrer Beinbilder, die im Buch abgelichtet sind, entlocken. Sie wollte den Lesern meiner Rezension stattdessen den nackten Popo zeigen. Damit war ich einverstanden, weil dieser ja tatsächlich eine Augenweide darstellt.:-))


Von ihren poetischen Texten möchte ich einen hier vorstellen, den ich am meisten mag. Er ist frei von Zynismus. Es handelt sich um ein Liebesgedicht, das Gefühle zum Ausdruck bringt, die wir alle kennen:


„plötzlich werde ich wach
einfach so
ich weiß nicht
was ich geträumt habe
ob ich
überhaupt träume

aber ich spüre
in dem moment
des erwachens
da ist noch jemand
der nicht schlafen kann
und
der an mich denkt

ich spüre gedanken
die mich erreichen
spüre
sehnsucht
ein gefühl das sich
wie heimweh
anfühlt
und
einen hauch
von trauer

nachts
wenn alles ruhig ist
empfange ich
diese ströme
spüre sie
ganz deutlich

weiß in dem moment
ganz sicher
da ist jemand
der an mich denkt

und wünsche mir
dass Du das bist.

Sehr empfehlenswert.

Bitte klicken Sie auf den Button,  dann gelangen Sie zu Amazon und können das Buch bestellen.

Rezension:Stern Spezial Fotografie 63: Helmut Newton (Stern Fotografie) (Gebundene Ausgabe)

Dieser Bildband enthält beeindruckende, hocherotische Fotografien des Starfotografen Helmut Newton aus Jahren 1973-2000.
Newton realisierte 27 Jahre lang Modefotografien für das Hamburger Magazin "stern", wobei seine Themen Sex und Luxus, Erotik und Eleganz waren, wie man der vierseitigen Kurzbiografie im Buch entnehmen kann.

In den 1970er bis Mitte der 1980er Jahre war der "stern" die einzige deutsche Publikumszeitschrift, die Newtons Bilder veröffentlichte. Damals gab es noch keine deutsche "Vogue" und auch noch keine "Elle".

Man hat Gelegenheit, sowohl etwas in deutscher als auch in englischer Sprache über das Leben des 1920 in Berlin geborenen jüdischen Fotografen zu erfahren, bei dessen Bildern es wenig Sinn habe, nach irgendeiner Theorie oder einem ästhetischen Überbau zu suchen. Wie man auf Seite 2 der Kurzbiografie erfährt, erkenne man Newtons ersten Modefotos an, bloß seinen ungeduldigen Blick, den Subtext von Mode freizulegen und zwar dass sie Frauenköper verpacke und die darin schlummernde Kraft des Sexes. Für Newton war die Mode Hülle der Macht, nichts anderes. Mode soll diesbezüglich der Architektur nicht unähnlich sein und Newton setzte, so Jochen Siemens, lange Frauenbeine wie Säulen und Brüste wie Kuppeln femininer Tempel ins Bild.

Siemens hebt hervor, dass der vieldiskutierte Starfotograf nie schwache, erniedrigte oder unterlegene Frauen zeigte und sie nie zu Objekten des Betrachters machte, sondern zu Subjekten des Geschehens. Was die Aufnahmen im Buch anbelangt, kann ich das bestätigen.

Auf den ersten Seiten sieht man zwei barbusige Camperinnen in Ramatuelle im Jahre 2000 mit wunderschönen Apfelbrüsten. Auffallend ist das Selbstbewusstsein, das sie ausstrahlen. Beide sind Subjekte des Geschehens, ohne Zweifel. Modebilder aus dem Jahre 1980, aufgenommen in Los Angelos, zeigen Frauen mit sehr langen Beinen, die sie in Netzstrümpfe gehüllt haben, ihren Blick auf halbnackte schöne junge Männer gerichtet. Diese Männer sind das Objekt ihrer Studien und keineswegs umgekehrt.

Eine Frau, in schwarze Spitze gehüllt, beobachtet auf zwei Fotos den Fotografen, auf dem dritten zeigt sie ihm - wie eine stolze Spanierin - die nackte Schulter.

Newton amüsierte sich vermutlich köstlich, als er einen kleinen Mann mit dickem Bauch in einer Badehose einer schöne barbusigen Blondine mit hochhackigen Schuhen gegenüberstellt, die mehr als zwei Köpfe größer ist als er. Er darf sie anschmachten.

Viele seiner Bilder verraten, dass Newton ein Schelm war, der diesen Wesenszug in seinem kreativen Tun auslebte. 1993 realisierte er das grandiose Foto "Eva mit der Pickehaube", das zu Zeiten Kaiser Wilhelm vermutlich dazu geführt hätte, dass man ihn seitens seiner Geschlechtsgenossen gelyncht hätte.

Eine Aufnahme, die im Jahre 2000 entstand, zeigt ein neuzeitliches Paradies, in welchem Eva es natürlich ist, die den passiven Adam verführt. Auf der dann folgenden Seite ist es erneut die nackte Eva, die diesmal einen Baumstamm schultert. Die Botschaft ist angekommen: Newton macht Männer zu Statisten des Geschehens.

Ein Foto der noch sehr jungen Claudia Schiffer aus dem Jahre 1993 und Bilder anderer Modelle in der Folge, verdeutlichen das positive Miteinander von Frauen, in dem alte Klischees keinen Platz mehr haben. Selbst bei dem Foto "Voyeurismus" zeigt Newton, wer nach seiner Ansicht das Heft in der Hand hat. Der Mann jedenfalls nicht.


Das Foto, das mich am meisten amüsiert, ist jenes, auf dem Newton mit dem deutschen Frollein (Claudia Schiffer mit Zopfschnecken und Hut) zu sehen ist. Er hält ihr (beide sitzen auf einer Bank) eine Tüte mit Gummibärchen(?) hin- doch sie nimmt weder den Fotografen noch seine Süßigkeiten zur Kenntnis. Wirklich schöne Frauen lassen sich von Sugar-Daddys eben nicht verführen. Das könnte die Botschaft des Bildes sein, muss es aber nicht.
Empfehlenswert.


Bilder:
Cover: Portfolio No. 63 Helmut Newton, distributed by teNeues, www.teneues.com.
Für das Bild:
Photo © The Helmut Newton Estate

Bitte klicken Sie auf den Button, dann gelangen Sie zu Amazon und können das Buch bestellen.

Rezension: Komm in meine Nacht

Dieser Gedichtsband enthält erotische Gedichte namhafter Lyriker aus unterschiedlichen Jahrhunderten. Bei den Illustrationen im Buch handelt es sich um wunderschöne, erotische Zeichnungen von Gustav Klimt, die unmissverständlich verdeutlichen, dass die Liebe zwischen Mann und Frau ohne sexuelle Komponenten undenkbar ist.

Die Gedichte sind den Oberbegriffen: empfindsam, berauschendschön, sehnsüchtig, erwartungsvoll, wachgeküsst, sinnenfroh, heißgeliebt, wollusttrunken und traumverloren zugeordnet.

Auf Seite 96 fand ich ein Gedicht von Octavio Paz, das er vermutlich einst seiner Frau, einer bildschönen, blonden Französin, gewidmet hat. 1981 war ich gemeinsam mit acht anderen Studenten und unserem argentinischen Professor auf unserer mehrwöchigen Studienreise durch Mexiko bei Octavio Paz eingeladen. Besagte äußerst attraktive Französin führte uns durch die eheliche Wohnung in den Garten zu einem gläsernen Pavillon. Dort saß Octavio Paz an seinem Schreibtisch und lächelte uns Studenten beinahe gütig, zumindest aber wohlwollend an, während seine Frau ihm im Vorbeigehen liebevoll über das Haar strich. Dann erst begann er über die sozialpolitischen Verhältnisse in Lateinamerika mit uns zu sprechen. Dieses Bild hat sich in meinen Kopf eingeprägt. Der Nobelpreisträger Octavio Paz ist leider bereits verstorben, geblieben ist sein beeindruckendes Werk, zu dem auch das nachstehende Liebesgedicht zählt:

Tastend
Meine Hände
öffnen die Vorhänge deines Seins
kleiden dich in eine andere Nackheit
entblößen die Körper deines Körpers
Meine Hände
erfinden einen anderen Körper
auf deinem Körper

Octavio Paz
(1914-1998)

Natürlich schrieben Dichter und Dichterinnen der Antike andere erotische Gedichte als die Lyriker und Lyrikerinnen im Hier und Heute und Frauen drücken Liebe und Begehren lyrisch anders aus als Männer und zwar in allen Zeiten, wie man feststellen darf.
Unter dem Begriff "traumverloren" fand ich ein Gedicht, das mich ähnlich berührt hat wie jenes von Octavio Paz. Es handelt sich um ein Gedicht von Christian Morgenstern (1871-1914). Dieses Gedicht ist ebenfalls sehr zart und subtil erotisch, wie ich finde:

Von dir schein ich aufgewacht

Von dir schein ich aufgewacht,
und küsse dich am Halse,
und du, ohne Lid zu heben,

legst den Arm um mich, und sacht,
wie nach einer Chopin-Valse,
meinst du mit mir hineinzuschweben....
(siehe Seite 142)

Die erotischen Zeichnungen Gustav Klimts beginnen zu leben, sobald man sie als Visualiserung der Versinhalte begreift: "Mein Geschlecht zittert/wie ein Vögelchen/unter dem Griff deines Blicks./"...(Hilde Domin, 1909-2006)...oder auch "Schling mir den Arm um die lechzenden Glieder,/leg deinen Kopf an mein sehnendes Herz,/Küsse nur Lippen und Busen und Augen,/lass uns vergessen, vergessen den Schmerz."(Franziska von Reventlow, 1871-1918).

Ich frage mich, ob ein poesievoller Mann der bessere Liebhaber ist? Vielleicht, denn er umarmt auch mit Worten und das macht ihn für uns Frauen natürlich unwiderstehlich. Welche Frau ist nicht bezaubert von den Worten dieses Geliebten:

"Schön bist du, meine Freundin,
ja, du bist schön.
Hinter dem Schleier
deine Augen wie Trauben.
Rote Bänder sind deine Lippen;
lieblich ist dein Mund.
Deine Brüste sind wie zwei Kitzlein,
wie die Zwillinge einer Gazelle,
die in den Lilien weiden.
Wenn der Tag verweht und die Schatten wachsen,
will ich zum Myrrhenberg gehen,
zum Weihrauchhügel."
(Vers aus dem Hohelied, Seite 90)

Ich wage mich keinen einzigen der Verse im Buch analysierend zu zerlegen, ihm ein Geheimnis zu entlocken, das ja stets nur für zwei Menschen gedacht ist: die jeweiligen Liebenden.

Vielleicht träumt man und denkt an eine ähnliche Situation, wenn man liest: "Manchmal bei irgendwelchen zufälligen Bewegungen streift meine Hand deine Hand deinen Handrücken/".... , jeder kennt das und mitunter spürt man diese Hand noch nach Jahren, wenn auch nur gedanklich...

Empfehlenswert.


Rezension: David Drebin The Morning After.

Dieser schöne  Fotobildband wurde von dem Fotografen David Drebin realisiert. Die Fotos sind nicht kommentiert und können insofern, unbeeinflusst durch eine Beschreibung, auf den Leser wirken.

Im Klappentext erfährt man, dass in den Arbeiten dieses Künstlers voyeuristische und psychologische Betrachtungsperspektiven auf einzigartige Weise zusammenkommen.  Dem stimme ich zu, nachdem ich mich mit den Fotos länger beschäftigt habe. Seine Themen sind u.a. Humor und Sex, Melancholie und Sex und Melancholie und Humor.

Das knappe Vorwort ist in englischer, französischer, spanischer, italienischer und deutscher Sprache verfasst.

Seine Absichten erklärt Drebin unmittelbar bevor die Bilder präsentiert werden. Hier stellt er zunächst Fragen wie etwa:

"Sind Fotografien lediglich zu  Bild gewordene Gedanken?"

Im Hinblick auf die abgelichteten Frauen fragt er:

Wer sind diese Frauen? Was sind ihre Träume? Was sind ihre Absichten? Was ist ihnen wichtig? Was denken sie wirklich über sich selbst und über andere?"

Foto: David Drebin
Der Künstler wünscht sich übrigens, dass die Bilder, die überall auf der Welt aufgenommen wurden und zwar inmitten gewaltiger Meereslandschaften und dramatischer Stadtszenen, wie er hervorhebt, die von den tatsächlichen Situationen dieser Orte berichten, uns als Betrachter ermöglichen, diese Realität in der eigenen Fantasie wiederzuerleben.

Ich möchte Ihnen nun ein wenig über das, was ich im Buch sehe berichten.  Dabei ist es natürlich unmöglich alle Bilder zu beschreiben. Hervorheben möchte ich diese, die mir am meisten gefallen.

Eine hübsche Blondine sitzt im roten Sommerkleid, das rücken-frei  geschnitten ist, auf dem Teppichboden ihres Schlafzimmers. Dass es sich um ein Schlafzimmer handelt, erkennt man an einer Bettecke, die gerade noch auf dem Bild sichtbar ist. Das Bettlaken ist beinahe wie in Erwartung aufgedeckt. Die Frau blickt aus der begehbaren Fensterfront einer vermutlich sehr eleganten  Penthouse-Wohnung  am Central Park in New York auf die belebte Straße. Es ist bereits dunkel. Die Stadt ist erleuchtet. Die  Frau wartet vermutlich auf ihren Geliebten, den sie in weißen  Highheels zu empfangen gedenkt. Obschon man das Gesicht von ihr nicht sehen kann, erahnt man, dass sie bildschön ist. Ihr  makelloser Rücken und ihre Löwenmähne, lassen keinen anderen Schluss zu.

Beeindruckend ist die Abendaufnahme  eines Straßencafés in Paris bei Regen und auch die doppelseitige Meeresansicht, deren Glitzereffekte sich in den Augen einer anderen Frau spiegeln, die eine Seite zuvor und eine Seite nach der Meeresimpression nicht nur männliche Betrachter zu betören sucht.

Sehr sinnlich sind die roten, formvollendeten  Lippen  einer  weiteren Frau, die sie sanft mit ihren rot lackierten Fingern  berührt und dabei sehr sexy wirkt. Diese Brünette trägt ausgewaschenen Jeans und eine kurze schwarze Lederjacke. Ihre Sonnenbrille nutzt sie als Spiegel, um ihre vollen Lippen zu schminken, und  zwar mit einem sündhaft roten Lippenstift.

Durch eine gläserne Tür erblickt man zwei Bordsteinschwalben. Sie tragen Highheels, Nylons, die an Strapsen befestigt sind und die Sinne anregende schwarze Korsagen. Ihre luxuriösen Pelzmäntel sind einladend geöffnet. Hier dürfen die Herren der Schöpfung ihrer Fantasie freien Lauf lassen.

Gefallen wird Männern auch jene Frau, die gerade eine Treppe hinab geht. Sie trägt rote Highheels, schwarze Strümpfe an Strapsen befestigt und eine ebenfalls schwarze Spitzenkorsage. Gleich darauf sieht man eine Schöne, von der ich vermute, dass sie nackt unter dem hurtig zugebundenen Trenchcoat ist.  Von ihrem lustvollen "Quicky" kurz zuvor  soll keiner etwas erfahren, so jedenfalls der Eindruck. Ihre nackten Beine sehen in den Highheels wirklich formvollendet aus. Der Liebhaber wird noch lange davon träumen.

Zwei wunderschöne Blondinen mit langen Haaren, es könnten Lesben sein, betören den Betrachter. Beide Frauen tragen hübsche Cocktailkleider. Die eine der beiden liegt auf einer Couch und  wirkt sinnlich erregt, wie während der Ekstasemomente eines Beischlafs. Die andere sitzt breitbeinig auf den Knien der liegenden Frau und lichtet deren verzückte Gesichtsausdruck ab.

Eine Frau in einem super kurzen roten Minikleid steht an einem Zaun und ist von hinten aufgenommen. Sie trägt silberne Highheels und trägt vermutlich außer diesem roten Fummel nichts am Körper.

Sehr kunstvoll ist das Bild einer Nackten auf einem Stuhl. Ihre Brüste hält sie unter ihren gekreuzten Armen verborgen. Ihr Unterkörper liegt im Schatten und ist nur vage zu vermuten. Sie drückt ein leeres Weinglas fast verliebt an ihren Körper und goutiert offenbar das, was sich kurz zuvor auf diesem Stuhl ereignet hat, nach.

Foto: David Drebin
Die Frau auf der Titelseite ist im Buch abermals auf dem gleichen Motiv zu sehen. Ihre Beine sind sehr gut in Szene gesetzt. Diese Beine haben es verdient gezeigt zu werden. Es folgen eine ganze Reihe von  Stadtpanoramabildern und schließlich erneut eine schöne Brünette mit umwerfend attraktiven, sehr hohen Stiefeletten, die sie zu einem hellbraunen Body trägt. Sehr italienisch. Wirklich geschmackvoll. Sie hat ihren Körper leicht über das Geländer eines Balkons gelehnt,  von dem aus man das Meer sehen kann. Auf der Doppelseite danach erlebt man das Meer  und dessen Gischt in Blau- und Grüntönen.

Sehr schön ist ein Bild, das eine alte Bank bei Nacht zeigt. Sie ist von Büschen umgeben. Auf dieser Bank liegen ein paar sehr süße, hohe  Sommerschuhe. Wo mag die dazugehörige Frau sein? :-))

Wunderschön ist ein Panoramabild von Barcelona am Abend und von einer schönen, diesmal romantisch gekleideten Frau am Meer. Einer solchen Frau schreiben Männer Gedichte, weil sie die Poesie  ihrer männlichen Gegenüber beflügelt.

Die Silhouette einer nackten Frau auf einem Hotelbett weckt bei dem ein oder anderen Betrachter gewiss sexuelle Begehrlichkeiten. Bei mir entstehen eher andere Begehrlichkeiten, wenn ich  die  traumhaften Meeresbilder im Anschluss sehe. Capri muss ein Traum sein.

Empfehlenswert.

Das rezensierte Produkt ist überall im Handel oder unter http://www.teneues.com/ erhältlich.


Rezension: Kamasutra - Die indische Liebeslehre- Sandhya Mulchandani

Dieser Prachtband befindet sich in einem wunderschönen Behältnis, das mit einem hellgrünen Band verschlossen werden kann. Dargestellt ist auf diesem aufklappbaren, hochwertigen Karton ein nacktes Liebespaar beim Liebesspiel. Das Paar blickt sich tief in die Augen und bekundet damit, dass ein befriedigender Akt nur möglich ist, wenn auch die Seelen der Liebenden dabei zu Wort kommen dürfen, sich Mann und Frau durch ihren intensiven Blickkontakt als Spiegel dienen.

Nach einen Vorwort von Dr. Sudhir Kakar und einer überaus erhellenden Einleitung von Sandhya Mulchandani, kann man sich text- und bildlich (gemeint sind circa 140 edle Liebesspiel-Abbildungen aus dem Kamasutra) in folgende Kapitel vertiefen:

1. Liebe verstehen
2. Amouröse Avancen und Vereinigung
3. Über Bräute und Vermählungen
4. Zugeständnisse und Privilegien einer einzigen Ehefrau
5. Die Ehefrauen anderer Männer
6. Wege der Kurtisanen
7. Agents Provocateurs

Das Vorwort beginnt mit einer Frage: "Ist das Kamasutra, das berühmteste Buch der alten Welt über erotische Liebe, heute noch von Belang?" Dr. Kakar beantwortet seine rhetorische Frage schon wenige Sätze später mit einem klaren Ja und erläutert, dass den meisten nicht bewusst sei, dass das Kamasutra mehr ist als nur ein Sexuallehrbuch sei. Es handelt sich nämlich um den ersten umfassenden Leitfaden zu einem erotischen Leben in seiner gesamten Fülle. Heute dürften die psychologischen Aspekte des Buches interessanter sein als die beschriebenen Sexualstellungen, meint Dr. Kakar weiter und verweist diesbezüglich auf Teil 6. Dort nämlich denkt eine Frau darüber nach, wie man an einen Liebhaber kommt, auch wie man diesen wieder los wird und auch, woran man erkennt, dass seine Gefühle für sie abkühlen. Das Kamasutra zeichnet sich durch viele weise Ratschläge aus, z. B. über Flirten und Verführen eines Partners und es macht deutlich, dass die Zeit nach dem Sex im gleichen Maße Aufmerksamkeit verdient, wie der Geschlechtsakt selbst, (vgl.: S. 8)

Wie man erfährt, hat das Buch seinen Status als Klassiker dadurch erlangt, dass es von elementaren, unveränderlichen menschlichen Eigenschaften handelt. Aufgezählt werden: Lust, Liebe, Schüchternheit, Ablehnung, Verführung und Manipulation.

Das Kamasutra beabsichtigt nicht nur die erotischen Wonnen aus einer einschränkenden Moral von Fruchtbarkeit und Fortpflanzung zu befreien, sondern es möchte zudem eine Schutzzone für die Erotik vor der unbeherrschten sexuellen Begierde schaffen, unterstreicht Dr. Kakar in seinem Vorwort.

In der Einleitung wird man zunächst darüber informiert, dass alle heiligen Schriften des Hinduismus reich an sexueller Symbolik sind, über die man in der Folge Erhellendes erfährt. Kamaveda, dem griechischen Eros nicht unähnlich, ist jung sowie attraktiv und reitet zum Zeichen seiner Lüsternheit einen Papagei. Seine ständige Begleiterin Rati ist der Frühling. Mit ihr wird er in der Literatur nach einen promiskuitiven Liebesjagen vereinigt. Nach Vorstellungen des alten Indien bekannte man sich offen zum Verlangen. Das heißt letztlich, dass eine aufgeschlossene Einstellung zur Sexualität vorherrschte, die frei von Heuchelei, Falschheit und Hemmung war, (vgl.: S. 15).

Die indische Gesellschaft soll eine ganzheitliche Auffassung von allen Aspekten des Lebens vertreten haben und wies aus diesem Grunde der Sexualität ihre gebührende Rolle in den größeren Zusammenhängen der Dinge zu. Im alten Indien war das Kräftespiel zwischen körperlichen, biologischen und höheren evolutionären Bestrebungen ein integraler Bestandteil der sittlichen, religiösen und spirituellen Tradition, (vgl.: S. 16 u. 17). Wie man liest, muss jeder Hindu sechzehn Rituale (Samskaras) und vier Lebensphasen (Ashramas) durchlaufen. Laut dem "Purusharthas" gibt es vier verschiedene Ziele im Leben, genannt werden: Rechtschaffenheit, Verlangen, materieller Wohlstand und Befreiung. Sofern einer der Bereiche vernachlässigt wird, entsteht verminderte Existenz, die Unausgewogenheit und Elend zur Folge hat, (vgl. S. 18).

Das Kamasutra, dies wird in der Einleitung besonders hervorgehoben, ist kein Text über Lüsternheit, ebenso wenig eine Abhandlung, die auf das Streben nach heimlichen Sex in dunklen, abgelegenen Ecken eingeht, (vgl.: S..25), stattdessen ist das Kamasutra im Wesentlichen eine nüchterne Darstellung über die zu der Zeit herrschende Gesellschaftsstruktur und thematisiert Umgangsformen, Verhalten, Sexologie sowie Kultur, (vgl.: S. 28).

Das Buch erörtert zunächst den Platz des Kamasutras im Leben von Männern und Frauen, die drei Lebensziele, die Notwendigkeit des Wissens, die Rolle eines gebildeten Städters und die Vermittler. Man erfährt in diesem Zusammenhang zunächst, dass der älteste Erotikratgeber der Welt zwischen dem 3. u. 6. nachchristlichen Jahrhundert von einem Autor namens Vatsyayana verfasst worden ist und dass er sein Buch in sieben Teile mit 36 Kapitel untergliedert hat. Beantwortet wird u.a. die Frage, weshalb Männer und auch Frauen das Buch studieren sollten, auch wird auf die Kunstfertigkeiten eingegangen, über die ein Mädchen verfügen sollte. In 16 Künsten sollte sie sich nach alter indischer Vorstellung auskennen: "...die Gedanken anderer zu lesen, Liebesäußerungen, ihr Geneigtsein durch Gebärden zeigen, behutsames Berühren ihre Körpers erlauben, liebevoll mit den Nägeln kratzen, sachte beißen, den Knoten ihres Untergewandes verführerisch lösen, ihre Scham entblößen, sich aktiv am Geschlechtsverkehr beteiligen, den Partner erfreuen, Befriedigung erlangen und dies auch für den Partner sicherstellen, den Partner zum Geschlechtsverkehr ermuntern, sich wütend geben, den wütenden Partner besänftigen, den schlafenden Partner verlassen, nach dem Verkehr schlafen gehen..."(Zitat. S. 58).

Man liest von den optimalen Voraussetzungen für das Liebesspiel, auch über Hygiene, über Festlichkeiten, die Rolle eines Vermittlers und erfährt, welche Frauen als Geliebte nach alter indischer Vorstellung ungeeignet waren. Sofern eine Frau bereits fünf Liebhaber hatte, dürfte sie von allen umworben werden.

In der Folge wird man über amouröse Avancen, über das Entfachen von Verlangen, Umarmungen, Küssen und Liebkosungen, die Kunst des Kratzens, Beißens, über Liebesakte mit besonderen Vorlieben, über Frauen in der männlichen Rolle, über Oralsex und das kunstvolle beenden des Liebesspiels aufgeklärt. Männer werden typisiert in Hasen, Stiere und Hengste und Frauen werden nach der Größe ihrer Vagina oder "Yoni" eingeteilt. Nach altindischer Vorstellung war es bei der Vereinigung von Paaren wünschenswert, dass die Maße in den Größen übereinstimmt, weil nur dann der Koitus wirklich befriedigend sein kann. Dieser Ansicht stimme ohne Einwände zu.

Hervorragend erläutert werden die unterschiedlichen Grade der Wonnen, die verschiedenen Arten von Liebe, sexuelle Fantasien, die 64 Bestandteile des Vorspiels, die möglichen Umarmungen, die unterschiedlichen Arten des Küssens und auch der so genannte "Kusskrieg". Nach vielem Hin und Her schließlich kommt man auch im Kamasutra zur Sache.

Im Kamasutra geht man von der Vorstellung aus, dass je besser das Verständnis der Vorgänge und der damit verbundenen Emotionen ist, um so vorteilhafter gestaltet sich die Technik und um so fähiger sind die Liebenden. Man lernt günstige Stellungen für Frauen und auch für Männer kennen, auch ungewöhnliche Praktiken und sexuelle Resonanz. Ich möchte nicht auf all die genannten Stellungen im Buch hier näher eingehen, weil dies den Rahmen der Rezension sprengen würde. Ich stimme mit den alten Indern überein, dass Sachkenntnisse im Rahmen von sexuellen Praktiken nützlich und der Liebe in all ihren Facetten alles andere als abträglich sind, sofern man keinen westlichen Leistungsdruck aufbaut.

Thematisiert werden anschließend verschiedene Möglichkeiten der Eheschließung und das Umwerben, auch wird über die ideale Ehe philosophiert. Nach Vorstellungen des Kamasutra sind Ehen dann am besten, wenn zwischen Mann und Frau, das was Freuden, Geschmack und Vergnügungen anbelangt Übereinstimmung vorhanden ist und wenn sie eine ähnliche Herkunft haben, (vgl.: S. 184).

Zur Sprache kommen ferner das Verhalten der Ehefrau, auch einer solchen, die von ihrem Mann abgelehnt wird und Ehemänner mit mehreren Frauen, auch Ehefrauen anderer Männer. Aufgezeigt wird zudem, weshalb bestimmte Männer bei Frauen Erfolg haben und man darf sich über die sinnliche Liebe eines Königs schlau machen.

Wie man seine Anziehungskraft steigern kann, erfährt man zu Ende des Buches. Sich zu verschönern wird als taugliche Mittel genannt.

Dieses kostbare Buch dient nicht nur dem Lesegenuss, sondern es bereitet aufgrund der Bilder auch optische Freuden.

Empfehlenswert.


Bilder: Mit freundlicher Genehmigung Collection Rolf Heyne

http://www.collection-rolf-heyne.de/