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Rezension:Wie der Sex nach Deutschland kam: Der Kampf um Sittlichkeit und Anstand in der frühen Bundesrepublik (Gebundene Ausgabe)

"Beate Uhse stand für drei Entwicklungen: für die Gleichsetzung von Sexualität mit Markt, Geld und Warencharakter und die wachsende Konsumfreude der Bundesbürger, für das Scheitern der Justiz im Sittlichkeitskampf und schließlich für die unmittelbar an Sexualität geknüpfte, auf Kinsey zurückgehende Überzeugung von Fortschritt und Freiheit." (Prof. Dr. Sybille Steinbacher, S. 244)

Prof. Dr. Sybille Steinbacher konstatiert gleich zu Beginn ihres Buches, dass die Sexualität in den 1950er Jahren eines der zentralen Felder politischer und sozialer Auseinandersetzung gewesen sei. Sexualität wurde nicht als Privatangelegenheit betrachtet, sondern es wurden unmittelbare Zusammenhänge zwischen sexuellen Normen und sexuellen Ordnungsvorstellungen hergestellt. Dabei wurde das soziale Selbstverständnis heftig diskutiert. Im vorliegenden Buch geht die Autorin diesen Konflikten als auch den sozialen Funktionen und Bedeutungen, die mit der Sexualität zwischen der Besatzungszeit und den frühen 1970ern in der Bundesrepublik verknüpft wurden, breit angelegt nach.

Erörtert werden die Themenbereiche der gesetzlichen Maßnahmen, welche im Zusammenhang mit dem sogenannten literarischen Jugendschutze getroffen wurden, die sexualwissenschaftlichen Studien des amerikanischen Forschers Alfred C. Kinsey und die Resonanz in Wissenschaft, Medien sowie Publizistik als auch die frühe Erotikindustrie in unserem Lande.


Die Autorin lotet Akteure in der Auseinandersetzung und deren Handlungen, ihre unterschiedlichen Interessen, ihre Konkurrenz und Deutungsmacht, als auch die Reaktion und Wirkung ihrer Aktivitäten aus. Weil es beim Konflikt um Sexualität darum ging, gesellschaftlichen Ordnungsentwürfen Geltung zu verschaffen, spiegelt sich die Auseinandersetzung in Gesetzen, in Rechtsprechung und im Verwaltungshandeln wieder.

Prof. Dr. Steinbacher stellt viele Fragen, die sie in der Studie umfassend zu beantworten sucht, so etwa, wie sich Politik, soziale Eliten und Publizistik in diesem Prozess zueinander verhielten u.a.m. Die Autorin unterstreicht, dass sich die Studie als Beitrag zu einer Geschichte der Bundesrepublik versteht, die gängige Deutungsmuster über die autoritären und rigiden Moralvorstellungen und den Hedonismus der 1960er Jahre durchbricht und stattdessen die Ambivalenzen der fokussierten Epoche hervorhebt.


Weil die Sexualität ein deutungsoffenes Feld darstellte, bündelten sich nach Aussagen der Autorin die Intensionen der sozialen Distinktionswünsche und der kulturellen Überlegenheitsansprüche. Erwähnen möchte ich an dieser Stelle, dass die Studie eine transnationale Perspektive beinhaltet, weil der Umgang mit Sexualität auch ein Ausdruck der Akzeptanz wie Abwehr kultureller Einflüsse aus den USA verkörperte, zusammengefasst mit den Schlagworten der sogenannten Amerikanisierung und der Ausbreitung der Populärkultur. Dabei sorgten die Medien dafür, dass die Sexualität nach der NS-Zeit wieder ein verhandelbares Thema wurde, besonders in Verbindung mit den Kinsey-Berichten in den USA. Der Wandel der sexuellen Normen fand in jener Zeit nicht nur in Deutschland, sondern in der gesamten westlichen Welt statt, das soll nicht unerwähnt bleiben.

Prof. Dr. Steinbacher bezweckt durch ihre Studie die Sexualgeschichte in die Zeitgeschichte einzubinden und betont dabei, dass der Konflikt um Sexualität sich nicht auf ein Symptom der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus reduzieren lässt.

Ihr Buch in drei große Abschnitte untergliedert. Diese lauten:
Sittlichkeit und Staatsräson
Kinsey und der Fortschritt
Konsumzeitalter und sexuelle Befreiung

Alles sehr aufschlussreich und von daher empfehlenswert.
 
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